Geschichte verwahren
Erwarte niemand eine Antwort, aber die Frage muss erlaubt sein: Wozu bewahren wir?
Was soll das Einpacken in Bläschenplastikfolien und Kartonschächtelchen aus säurefreiem Papier, das Speichern und Ablegen von Negativen, Glasplatten und Bildern? Wozu das Aufschreiben und Festlegen, Verbunkern und Verwahren von Knochen und Hellebarden und Gewehren und Diplomen, von alten Zügen und Autos und Unterhosen?
Was sollen wir sie schützen und bewahren, die Kirchen und Schlösser und alten Fabriken? Wozu?
Sollten wir etwas davon lernen können? Was? Dass alles vergänglich ist? Dass nichts einer ordentlichen, panzerbrechenden Bombe widerstehen kann? Oder der Gier von Plünderern?
Und was ist mit unserem eigenen Krempel? Sollen wir das Zeug zur Seite legen für spätere Generationen? «Schau, die Socke gehörte deinem Urgrosspapi. Damals waren die halt noch aus Nylon. Und das da war vom Papi, der Laptop, so nannte man diese Teile, hatte er 2016 gekauft, bevor Apple das iBrain auf den Markt brachte. Damals mussten sie noch so aufklappen und durch dieses Loch mussten sie mit einer Schnur Strom tun und so.»
Und die Kinder werden sich gelangweilt von dem alten Plunder abwenden, gegen ihre Stirn tippen, um das Google-TV wieder zu aktivieren und Star Wars 36 schauen, während sich draussen in den Vorstädten und hinter den hohen gesicherten Mauern die Hungernden gegenseitig auffressen und abschlachten und sich im ehemaligen Museum für Geschichte einige Besoffene an die verrosteten Überreste des letzten Autos, das in der Schweiz fuhr, erleichtern und sich ein anderer frierend in die vermoderte, zerschlissene Flagge der Schweizer wickelte, die damals, ihr wisst schon, bei Marignano ihr Blut über die Felder schüttete.
Ist es wirklich wert, irgendetwas zu bewahren? Und wenn ja, wieso tun wir es nur mit altem Krempel und nicht mit den Kindern, die gerade im Mittelmeer ersaufen oder zwischen Aleppo und Berlin erfrieren? Wollen wir sie als Teil einer Geschichte bewahren, um irgendeinmal sagen zu können: «Ja, damals hätten sie das anders machen müssen. Aber wir werden ihrer immer gedenken!»?
Kommentare
Kommentar schreiben
Archiv
Sep 2012Jan 2013
Feb 2013
Mar 2013
Apr 2013
May 2013
Jun 2013
Jul 2013
Aug 2013
Sep 2013
Oct 2013
Nov 2013
Dec 2013
Jan 2014
Feb 2014
Mar 2014
Apr 2014
May 2014
Jun 2014
Jul 2014
Aug 2014
Sep 2014
Oct 2014
Nov 2014
Dec 2014
Jan 2015
Feb 2015
Mar 2015
Apr 2015
May 2015
Jun 2015
Jul 2015
Aug 2015
Sep 2015
Oct 2015
Nov 2015
Dec 2015
Jan 2016
Feb 2016
Mar 2016
Apr 2016
May 2016
Jun 2016
Jul 2016
Aug 2016
Sep 2016
Oct 2016
Nov 2016
Dec 2016
Jan 2017
Feb 2017
Mar 2017
Apr 2017
May 2017
Jun 2017
Jul 2017
Aug 2017
Sep 2017
Oct 2017
Nov 2017
Dec 2017
Jan 2018
Feb 2018
Mar 2018
Apr 2018
May 2018
Jun 2018
Jul 2018
Aug 2018
Sep 2018
Oct 2018
Nov 2018
Dec 2018
Jan 2019
Feb 2019
Mar 2019
Apr 2019
May 2019
Jun 2019
Jul 2019
Aug 2019
Oct 2019
Nov 2019
Dec 2019
Jan 2020
Mar 2020
Sep 2020