Die Farbe Grau

Nebel

 

 

«Vermaledeit, Herrgottsdonner und zugenäht!»

Das laute Gezeter vor unserem Haus liess mich nicht arbeiten. Ich schaute aus dem Fenster in den undurchdringlichen Nebel und versuchte, irgendetwas zu erkennen. War das da ein Mensch, der sich unter den blattentleerten Kirschbäumen bewegte? «Der hört verdammt nicht auf zu fluchen, verdammt!», dachte ich, zog mir die warme Jacke und die Stiefel an und machte mich auf die Suche nach Wemauchimmer das da war. Er hatte hier weder herumzustrolchen noch zu fluchen.

 

Es war nicht gerade schwer, den Unbekannten zu finden. Sein Fluchen und Jammern war kilometerweit durch den bleischwer im Seetal liegenden Nebel zu hören.

Als ich ihn entdeckte, ging der gerade gebückt unter den Bäumen durch und schien etwas zu suchen.

 

«Hallo! Was gibt es hier zu fluchen?» Wer mir da antwortete, war ein mit spitzem Ziegenbärtchen, runder Brille und gestrickter Mütze unter drei Schichten Mänteln hervorlugendes Männchen von maximal einem Meter sechzig. Dürre Beinchen in Manchesterhose und Lederstiefeln mit Reissverschluss kennzeichneten ihn deutlich als Zeichenlehrer.

 

«Die Farbe ist weg!»

«Welche Farbe denn?» «Die Faber 233 Kaltgrau IV. Einfach weg! Wie soll ich denn hier zeichnen können, wenn mir dazu die richtige Farbe fehlt?»

«Meine Güte, Zeichenlehrer, dann nimm halt einen Bleistift und hör auf, hier so rumzujammern. Das ist sowieso kein 233er Nebel. Das sieht doch ein Viertklässler, dass das ein 232er ist.»

«Meinen Sie? Hm, ja, ein 232er könnte gehen, vielleicht etwas mit dem 273er nachfärben, da drüben in Bodennähe, was meinen Sie?» «273? Ja, wieso nicht. Mir ist das einerlei, Hauptsache, Sie hören mit der vermaledeiten Flucherei auf. Da kann ja kein Mensch schlafen bei dem Lärm!»

Ich hatte keine Lust, mich mit dem Manneken auf ein längeres Gespräch einzulassen, und drehte mich drum händehebend wie weiland der alte Colombo mit einem «Gehabt euch wohl arte magistra!» auf dem Absatz um und floh in die warme Stube.

 

Keine Ahnung, obs was genützt hatte, das Fluchen war jedenfalls verstummt.

 

 

Übrigens ähnlicher Blogeintrag vom 2. 12.14: Grau ist das neue Grün

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