Tagebuch

Tagebuch

 

Heute vor achtundvierzig Jahren begann ich mein erstes Tagebuch. Wie nicht anders zu erwarten in perfekter Blockschrift und natürlich fehlerlos. Dass ich einen Nachnamen hatte, wusste ich natürlich noch nicht, meine Mutter war noch im Ruheraum und wir konnten uns noch nicht persönlich sprechen.

Ich schäkerte etwas mit einer Krankenschwester herum und ein Augenklimpern und eine Kusshand meinerseits reichten, dass sie mir am Kiosk des Spitals einen Stift und ein Büchlein besorgte.

 

Jetzt, 17544 Tage später, sitze ich hier und denke über die ganzen Bände nach, die ich geschrieben habe. Ich finde immer noch, dass die Zeit vor dem Kindergarten die beste war. Nie wieder hatte ich so einen Frieden!

 

Gerne hätte ich euch ein paar von den Tagebüchern gezeigt, aber ich denke, dass die erste Seite heute reichen muss, denn ich bin mir ziemlich sicher, dass ihr den Rest sowieso nicht glauben würdet ...

 

Reiter


 

Na gut, na gut:

31. März 1974.

Liebes Tagebuch. Gestern war mein Geburtstag und die ganze Mishpocheh kam, mir zu huldigen. Küsschen hier und Küsschen da. Dann der Bundesrat und die Feldmusik. Ich hatte schnell die Nase voll. So kramte ich in meiner Hosentasche nach meinem Elfenbeinzeieli, rieb es munter und warf es auf die Strasse vor dem Haus.

Wusch! machte es und meine weisser Hengst Sleipnir stand vor mir. Sofort sprang ich auf und war im Nu über alle Berge. Die Reise ging dieses Mal recht weit und es war schon Abend, als wir auf dem Gipfel des Kilimandscharo angekommen waren. ich habe mir eine Antilope gebraten und Sleipnir hat Bergkräuter gefuttert und dann haben wir tief und gut geschlafen.

Heute, als ich wieder nach Hause kam, wars Mami etwas böse, aber du weisst ja, wie sie ist, morgen wird sie es vergessen haben.

Paps war so damit beschäftigt, den Gästen irgendwelche Märchengeschichten zu erzählen, dass er scheints gar nicht mitgekriegt hat, dass ich verduftet bin.

Ist auch besser so.

 

So, und jetzt will ich schlafen. Tschüss, Tagebuch.